wann ist ein tisch ein tisch?

oder

eintischisteintischisteintischeinezeichnung?

 

diegesellen   heute ist alles anders, es scheint einen doppelten boden zu geben.

vor drei tagen bei der ausstellungseröffnung schienen mir die zwanzig tische von astrid bredereck wie eine herde - eine schar, die sich zwischen den ausstellungsbesuchern tummelt - für jede überraschung gut. ein umgekipptes weinglas, von dem keiner genau weiß, wie es ins wanken geraten konnte, zeichnete eine neue fläche auf eine der weiß grundierten und mittlerweile mit vielen verschiedenen strichen, farbflecken und strukturen versehenen platten. ein weiterer tisch versuchte, es ihm gleich zu tun und kippte einen apfelsaft um, allerdings nur zu seinen tischfüßen. da werde ich wohl aufpassen müssen . . . . die aufsicht im kunstverein ernst nehmen . . .

 

dieverloreneschar . . . aber heute, drei tage später, beim betreten des raumes: nichts von der geselligen runde am sonntag. die tische stehen ab-auf-aus-gestellt in einem ansonsten fast leeren raum: locker, aber doch rechtwinklig geordnet, zur wand, an der zeichnungen hängen, abstand haltend. sie tendieren zu der durch fenster und türen geöffneten seite des raumes. haben sie etwa fluchtgedanken?

sie wirken etwas verloren.

brauchen sie eine aufgabe? brauchen sie die menschen?

um tische zu sein - richtige tische?

können sie überhaupt noch richtige tische sein?

 

feinsäuberlicheinengrundschaffen  durch die feine, weiße grundierung evozieren die platten, die mal ganz selbstverständlich, mal merkwürdig fehlamplatz auf den tischen liegen, eine in den raum eingezogene, zwar unterbrochene, aber dennoch präsente, horizontale ebene. eine auf-sicht. die ahnung, dass es eine zeichenfläche sein könnte . . . die zur spurensuche verleitet . . .

. . . begleitet von dem leisen rhythmus der versammelten tischbeine, die geschwungen, gerade, schräg oder gar gekreuzt, wie eine leichte musik in braunweißgrauschwarzholzundmetall tönen.

 

dasspurensuchen und dasdeutenwollen   wie schön die spuren sind, die natur und menschen hinterlassen haben. die natur, ohne wissen der außergewöhnlichkeit der tische. die menschen, bei denen die tische zu hause waren und die menschen, die bei den tischen zu gast waren.

 

zarte zeichen von geselligem beisammensein, von harter arbeit, kämpfen -äußeren und inneren-, fleißigem, beständigen tun und benutzen und doch auch das bemühen, dass nichts auf ihn komme: auf dem tisch, bei dem die grauweißflechtengrünen platten die fehlende schublade ersetzen, liegt leicht, schwebend ein fussel, hellgrau und flusig, auf der sonst immer noch sehr gleichmäßig weißen platte - ein angriff auf die blütenreine weste?

 

ein anderer tisch kündet vom spaß an der fläche, der zeichenfläche: orangerotes krickelkrackel entpuppt sich auf den zweiten blick als eine genaue untersuchung von pferden und pferdeähnlichen tieren und deren gangarten.

 

naturstrukturen überlagern die menschenstrukturen und umgekehrt.

grün, grüner schimmer und schwarz als sehr feine struktur und farbtönung, die nur die natur zaubern kann - oder die nutzer, die unwissend waren, die nichts von einem kunstprojekt wussten: die die tische als tische benutzten, ohne sich um mögliche erwartungen zu scheren.

 

indirekte zeichen von tätigkeiten, die auf einer anderen ebene stattgefunden haben und denen, die direkt eingeschrieben wurden. spuren, die wegzuwischen wir gewohnt sind. normalerweise. danach. 

 

an manchen stellen gibt die abgeplatzte grundierung den blick frei: auf das alte leben des tisches, bevor er vielleicht vom dachboden geborgen oder gar unter vor-wänden den alten eigentümern ent-wendet, von seinem ursprünglichen, tischartgerechten standort entnommen wurde, um frisch ausgestattet eine reise auf zeit anzutreten. über den alten ort, die alte verwendung gibt es keine frage - über den neuen schon: draußen oder drinnen, garten oder balkon, werkstatt oder essstatt, kinder- oder erwachsenenzimmer?

 

deuten und sicheinbildmachen sind doch verschieden. und davor: das herrliche feld des wahr-nehmens!

die spuren, verweisen auf etwas und doch verraten sie mir eigentlich nur etwas über mich und meine vorstellungen, auch wenn sie ganz treu die dinge, die stattgefunden haben und die ich nicht kenne, das leben der anderen, aufgezeichnet haben. die anderen, die mir in den kurzen texten ein bisschen über ihr leben mit und ihr verhältnis zu den tischen erzählen, helfen mir da auch nur bedingt weiter.

 

j.w. schreibt: „Ist Künstlerin nur eine Ausrede um das eigene Dasein zu rechtfertigen? Andererseits ist Bankkauffrau nicht auch nur eine Ausrede?“

 

tische brauchen keine ausrede. sie sind. haben aber auch keine namen.

aber diese tische? man könnte ihnen namen geben . . . . .

 

dasgeheimnisdesflötotto   einer jedoch verweigert sich. ich messe meinen mut:

sichderwitterungaussetzen denregenhinnehmen diezeichenaufnehmen

essen trinken treffen reden denken sinnen

lesen schreiben zeichnen malen basteln werken spielen

präsentieren sichzeigen sosein

tanzen.

t a n z e n !

 

hat jemand leichten fußes auf diesem tisch getanzt?

 

 

 

renate schäfer jökel