Von Zuhause


2004, 26 Seiten, 18 Exemplare

Tintenstrahldruck, die Grafiken entstanden in einer Unikatholzdrucktechnik

Broschur mit Umschlag, 19,5 x 25 cm

 

Erinnerungen an Orte , die so nicht mehr existieren. Erinnerungen an Haustiere, die gestorben sind; Eisdielen, die geschlossen sind; Zimmer in denen heute ganz andere Menschen leben.

Mein früheres Zuhause ist in meinem Kopf. Manche Bilder sind immer da und nach andern habe ich lange gesucht: die Pferdeposter in meinem Kinderzimmer, unser Garten, der Springbrunnen hinter dem Haus, der rauchende Nachbar im Keller…Stück für Stück hat sich ein Buch ergeben, sehr persönlich gezeigt und erzählt. 

 

 

 

Auf der Peissnitz stand früher dieses Flugzeug. Wie es dort hingekommen ist, weiß ich nicht, aber es ist bestimmt mal geflogen. Es wurde erzählt, dass sich ein Café darin befand, aber immer, wenn ich dort war hatte es geschlossen. Zu gern hätte ich das Flugzeug auch von innen gesehen. Trotzdem konnte man ein bisschen auf den alten Rädern herumklettern.

Am anderen Ende des Platzes ist die Eissporthalle. Mit weißen Schlittschuhen aus Leder samt Kufenschonern, frei baumelnd über die Schulter gehängt, bin ich dort oft gewesen. Man konnte die stumpfen Kufen sogar direkt vor Ort schleifen lassen, wenn wir zu oft über den Betonfußboden spaziert waren, ohne die Schlittschuhe auszuziehen. Ich lernte vorwärts und rückwarts laufen, zog weite und enge Kreise, lief Achten, machte kleine Hüpfer und übte das abrupte Abbremsen, bei dem immer eine Schneewolke aufstieben musste. Ich lief schnell und langsam, allein und zusammen. Alle zwei Stunden wurde die Eisoberfläche erneuert und jeder wollte die spiegelglatte Bahn als Erster wieder betreten. Zweimal im Jahr gab es einen Rummel auf dem Platz vor der Eissporthalle. Ich habe Zuckerwatte gegessen und rote Äpfel und bin in die Schiffsschaukel gestiegen, die, wenn die Zeit um war, von einem tätowierten Mann mittels eines höhenverstellbaren Holzklotzes abgebremst wurde, bis sie wieder still stand. Ich bin Berg- und Talbahn gefahren und saß auch in den kleinen, ruckelnden Wagen der Gespensterbahn. Beim Losen hatte ich nie besonders viel Glück, denn ich zog meistens Nieten oder Trostpreise. Ich mo-chte die kleinen bunten Plastringe, die die Lose zusammenhielten, und die überall um die Losbude herum versteut auf dem Boden lagen.

 

 

Ein Garten mit Laube. Er gehört zur Gartensparte »Am Mühlbach« in Teutschenthal. Im Garten gab es einen Teich mit zwei Seerosen, vielen Molchen und Wasserläufern. Wenn der Teich sauber gemacht wurde, war das Wasser abgelassen, und ich fing mit dem Kescher alle Wassertiere aus dem Schlamm, um sie in die bereitstehenden Eimer zu retten. Gleich neben dem Teich stand ein kleines Gewächshaus, aus alten Fenstern zusammengezimmert. In ihm schlief fast jeden Winter ein Igel. Rechts davon, versteckt in der Riesenhecke aus Knöterich, war meine Schaukel. Auf der anderen Seite des Hauses lag ein Komposthaufen. Hier habe ich heimlich Plasttüten angezündet und tropfen lassen. Die Gartenlaube war aus Stein gebaut und ziemlich groß. Wir Kinder hatten ein Doppelstockbett, in dem ich oben schlief. Es gab einen dunklen, mit alten Möbeln vollgestellten Wohnraum, der immer gleich roch. Ich hatte auch einen Kletterbaum mit Tischchen und ein Kinderbeet. Dort wuchsen Zuckerschoten und Mohrrüben. Meine Schwester durfte immer den Rasen mähen. Ich sollte die Käfer von den Kartoffelpflanzen absammeln. Was ich dann mit denen gemacht habe, weiß ich nicht mehr. Manchmal haben wir Federball gespielt oder Rucki-Zucki. Aber am liebsten bin ich mit dem Fahrrad in der Gegend herumgefahren. Zu den Schafen, um heimlich auf ihnen zu reiten, zur Motorcrossrennbahn und zum wilden Pappelgrund, was uns verboten war. Deshalb trauten wir uns nur mit Schwimmreifen hinein, denn der Seeboden war sehr abschüssig, und es war dort mal jemand ertrunken. Wir wussten nicht, ob das stimmt und machten uns ziemlich viele Gedanken darüber, aber hingefahren sind wir trotzdem. Auf dem Weg vorbei an der Zuckerrübenfabrik gab es viele Kirschbäume.

 

 

Vom Wohnzimmer zur Küche gab es eine Durchreiche , die bei uns auch so benutzt wurde. Bei vielen Leuten war an dieser Stelle ein Aquarium eingebaut. Die Schrankwände waren braun und glänzend und hatten viele Türen und Fächer. Rechts neben der Tür war eine kleine Kommode auf der immer ein Deckchen lag. An der Wand darüber hingen drei kleine gerahmte Bildreproduktionen von Carl Spitzweg und Casper David Friedrich. Die Tür hatte einen imitierten Holzrahmen und war innen aus Riffelglas. Man konnte nicht klar hindurchsehen. An der Wand hing eine Uhr aus messingfarbenem Metall mit umflochtenen Rändern, die schwarze römische Ziffern hatte und leise tickte. Rechts vor dem Fenster stand eine grüne metallumrandete Blumenbank, auf der mehrere Hydropflanzen auf unterschiedlichen Etagen Platz hatten. Eine meiner Aufgaben war es, dafür zu sorgen, dass die Pflanzen genügend Wasser hatten. Dazu musste man die Töpfe öffnen und hineinsehen. Es roch immer ganz modrig. Die Familie Kitzinger unter uns hatte ein Radio, das sich von selbst lauter stellen konnte. Wenn es zu laut war, klopften und hämmerten wir gegen die Heizungsrohre. Wir hatten eine dunkelblaue, mit rauem Stoff bezogene Polstergarnitur mit herausnehmbaren Kissen. Auf dem länglichen Couchtisch stand immer eine Obstschale und oft eine Blumenvase. Der Zeitungsständer aus bastumwikkeltem Draht stand sehr wacklig neben einer stoffbezogenen Stehlampe mit Fußschalter. In der großen Schrankwand bewahrte meine Mutter auch Süssigkeiten auf. Sonst waren da unsere Schallplatten, Photoalben, Sammeltassen und Tischdecken.